Faszien: Die geheime Welt der weißen Gewebeschichten
Verklebte oder verfilzte Faszien können zu Schmerzen führen. Doch was sind Faszien überhaupt? Und wie können wir ihnen etwas Gutes tun? Wir entführen Sie in die geheime Welt der weißen Gewebeschichten.
Faszinierende Faszien: So sehen sie in der 3D-Grafik aus. Bildnachweis: AdobeStock/fotoliaxrender
Bei Rückenschmerzen denken wir meist zuerst an verkrampfte, verkürzte Muskeln oder gar an Probleme mit den Bandscheiben. Natürlich können degenerative Prozesse der Wirbelsäule oder Muskelverhärtungen oder Schmerzen verursachen, doch in den allermeisten Fällen liegt das Problem woanders: Verklebte oder verfilzte Faszien sind es, die uns plagen und die wir wieder lösen und in Bewegung bringen müssen.
Was sind Faszien?
Was sind eigentlich Faszien? Früher betrachtete man diese weißen Gewebeschichten, die Muskeln, Organ, Blutgefäße und Nervenbahnen umhüllen und damit den gesamten Körper „zusammenhalten“ einfach nur als eine Art unwichtiges Verpackungsmaterial. Mittlerweile weiß man, dass das nicht stimmt.
Hätten Sie gedacht, dass die Faszien im Grunde unser größtes Sinnesorgan sind und dass sie auch auf emotionalen Stress reagieren? Mehr als 80 Prozent der freien Nervenenden befinden sich im Fasziengewebe und nicht in den Muskeln, wie früher angenommen. Sogenannte Sinnesrezeptoren dienen der Eigenwahrnehmung des körperlichen Befindens und der Körperstellung im Raum. Dieser sogenannte Bewegungssinn ermöglicht uns komplexe, harmonische Bewegungsabläufe und die laufende Korrektur von Fehlhaltungen. Über Rezeptoren stehen die Faszien sowohl mit dem vegetativen Nerven- als auch dem Immunsystem in Verbindung. Wenn vermehrt Stresshormone ausgeschüttet werden, ziehen sich die Faszien zusammen und verkrampfen regelrecht.
Rückenschmerzen wegen verklebter Faszien?
Carla Stecco, Professorin für Anatomie an der Universität von Padua in Italien, war eine der ersten, die sich der systematischen Erforschung der Faszien gewidmet hat. Ein besonderes Augenmerk richtete sie dabei auf die große Rückenfaszie, die die Schultern mit den Hüften verbindet. Mittlerweile sind auch andere Forschende zu dem Schluss gekommen, dass hier der Ursprung für viele unspezifische Rückenschmerzen liegen könnte. Beim Vergleich von Menschen mit und ohne Rückenschmerzen stellte etwa Hélène Langevins, eine Forscherin vom Harvard Medical Institut in Boston, fest, dass die Gleitfähigkeit der Faszien, die aus verschiedenen Schichten bestehen, bei den Schmerzpatienten deutlich, ja oft sogar um die Hälfte eingeschränkt war.
Das legt den Schluss nahe, dass wir den Schmerzen mit Bewegung und vor allem mit Dehnung zu Leibe rücken können. Das bestätigt auch Dr. Robert Schleiß, der am Institut für Angewandte Physiologie der Universität Ulm in Günzburg über das Fasziengewebe promoviert hat. Unsere Faszien, so ein weiteres Ergebnis seiner Forschungen, sind von unzähligen Schmerzrezeptoren durchzogen, die unter anderem auf falsche Haltung, zu wenig Bewegung, körperliche Überlastung oder entzündliche Prozesse reagieren.
Warum Faszien verkleben
Werfen wir noch einen genaueren Blick auf die Innenwelt der Faszien: Sie bestehen, vereinfacht gesagt, aus einem wässrigen Gel und Zucker-Eiweiß-Verbindungen – unter anderem Hyaluronsäure – sowie Kollagen- und Elastinfasern. Sie müssen Halt geben, aber auch dehnbar sein. Die dehnbareren Elastinfasern können sich wie ein Gummiband auf ihre doppelte Länge ausdehnen. Je nach Anforderung an eine Faszie überwiegt der Anteil an Kollagen- oder Elastinfasern. Dafür sorgen die Fibroblasten, kleine Handwerkerzellen, die auch zuständig für die Produktion der aus der Anti-Aging-Kosmetik bekannten Hyaluronsäure sind.
Hyaluronsäure sorgt nicht nur für straffe Haut, sondern auch für Gelenkschmiere in Knie-, Hüft- und Schultergelenken. Sie ist zähflüssig und kann große Mengen an Wasser binden, was elementar wichtig ist, damit die Faszienschichten nicht aneinander reiben, sondern gewissermaßen gut „flutschen“. Ein erwachsener Mensch trägt durchschnittlich 20 kg Faszien mit sich herum, die wiederum etwa zu 70 Prozent aus Wasser bestehen. Im Idealfall ist diese Flüssigkeit gut verteilt. Doch wenn wir uns zu wenig bewegen oder uns verletzen, bilden die Fibroblasten zu viele Kollagenfasern und die Nervenenden, die durch das Fasziengewebe verlaufen, werden eingeklemmt. Das Gewebe verfilzt. Bei körperlicher Überbelastung oder auch bei falscher Ernährung können zu dicke Hyaluronschichten entstehen und das Fasziengewebe verklebt. Beides führt wiederum zu Rückenschmerzen.
Das hält die Faszien fit
Als umfassendes Netzwerk durchziehen die Faszien den gesamten Körper und umschließen unsere Muskeln und Organe nicht nur, sondern verbinden alles miteinander. Unser Körper besteht aus festen Elementen, wie den Knochen, und dazwischen aus elastischen Elementen, den Faszien. Jeder Knochen ist elastisch vom nächsten abgeschirmt, damit wir uns geschmeidig bewegen können. Sowohl in den festen Bestandteilen als auch in den elastischen befinden sich Flüssigkeiten, seien es nun Blut- oder Lymphgefäße. Diese Flüssigkeiten in den Faszien und um sie herum verhindern, dass in unserem Körperinneren Reibung stattfindet, indem etwa ein Organ gegen das andere stößt oder Knochen aufeinander.
Bei den großen Faszien unterscheidet man bestimmte große Zuglinien, wie zum Beispiel die frontale Zuglinie auf der Körpervorderseite oder die rückwärtige Zuglinie auf der Körperrückseite, die seitliche Zuglinie oder die spirale Zuglinie. Diese Zuglinien entsprechen interessanterweise nahezu den Meridianen oder Energieleitbahnen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Und sie erklären, warum zum Beispiel das Dehnen der Fußsohle den Nacken entspannen und sogar Spannungskopfschmerzen entgegenwirken kann.
Dehnen ist deshalb eine Wohltat für die Faszien. Damit sie optimal mit Gleitflüssigkeit versorgt werden, ist es wichtig, möglichst viele verschiedene Winkel durch neue, andere Dehnpositionen zu finden und sich nicht nur auf die klassischen Dehnungsübungen aus dem Stretching zu beschränken.
Außerdem helfen federnde, schwingende Bewegungen, die Faszien anzuregen – eine Erkenntnis, zu der unter anderem der oben bereits erwähnte Dr. Schleip gekommen ist und die im Widerspruch zu dem steht, was lange Zeit im Sport galt.
Geben Sie Ihrem Körper Anreize, spielen Sie mit ihm, indem Sie verschiedene Positionen ausprobieren. Hüpfen Sie oder versuchen Sie auch beim Spaziergang mal bewusst, federnd zu gehen. Lassen Sie Ihre Arme um sich herum schwingen in einer Drehbewegung. Sie werden sehen: Das setzt Energie frei und macht auch einfach Freude!
Faszien und Ernährung
Verschiedene Forscher haben bestätigt, dass nicht nur muskuläre oder nervliche Reize dazu führen können, dass sich Faszien zusammenziehen. Vielmehr sind es unterschiedliche biochemische Botenstoffe, die auf die Faszien einwirken können. Und das erklärt sowohl, warum sie auf emotionalen Stress reagieren als auch, weshalb wir mit der richtigen Ernährung den Faszien etwas Gutes tun können.
Basische Mineralstoffe und Vitamine
Wichtig ist dabei vor allem, genug Wasser oder auch Kräutertees, die basische Mineralstoffe enthalten, zu trinken. Mindestens 2 bis 2 ½ Liter sollten Sie täglich trinken. Und damit Ihnen das nicht zu langweilig wird, können Sie die Getränke gerne mit ein paar Blättchen Minze, ein paar Zitronenscheiben und frisch geraspeltem Ingwer anreichern.
Auch Vitamine und Mineralstoffe spielen eine wichtige Rolle. Vitamin C sind entscheidend bei der Herstellung von Kollagen, aber auch bei der Heilung kleinerer Entzündungen. Es ist unerlässlich für das Immunsystem und für ein straffes Bindegewebe. Mit frischem Obst und Gemüse können Sie sich damit ausreichend versorgen.
Die B-Vitamine haben sowohl für das Bindegewebe als auch das Nervensystem eine besonders große Bedeutung als Reparatur- und Anti-Aging-Spezialisten. Gute Quellen sind Milchprodukte, Geflügel und Fisch, Vollkornprodukte sowie Nüsse und Avocados.
Außerdem wichtig: Vitamin D und K für den Zellstoffwechsel, das Nervensystem und das Bindegewebe sowie Spurenelemente wie Zink, Jod oder Kupfer und Mineralstoffe wie Kalium, Kalzium, Magnesium und Natrium.
Eiweiße und Fettsäuren
Hochwertige Eiweiße aus Nüssen, Milch, Eiern, Fisch und Fleisch aus artgerechter, ökologischer Tierhaltung verleihen den Faszien, die selbst zu einem Großteil aus Eiweißen bestehen, ihre Superkräfte und sind unverzichtbar für die Heilung von Entzündungen, die Immunabwehr und die Regeneration.
Und last not least sind essenzielle Fettsäuren, die der Körper selbst nicht herstellen kann, wichtig für Haut, Faszien, Muskeln und Gelenke. Sparen Sie also nicht an guten pflanzlichen Ölen wie kalt gepresstem Olivenöl.
Darauf sollten Sie besser verzichten:
Auf Zucker, zuckerhaltige Limonaden, Weißmehlprodukte, tierische Produkte aus Massentierhaltung, tierische Fette wie Schweineschmalz, Öle, deren Fettsäuren Entzündungen fördern wie Sonnenblumenöl oder Distelöl, Produkte mit Geschmacksverstärkern (wie Glutamat), Fast Food und alles, was künstlich hergestellt ist, sollten Sie tunlichst verzichten oder es zumindest stark reduzieren.
Faszien und Sport
Bewegung ist grundsätzlich gut für die Faszien, solange Sie es nicht übertreiben oder sich überanstrengen. Neben speziellen Übungen wie dem Faszien-Training oder dem Faszien-Yoga sind alle gemäßigten Ausdauersportarten wie Radfahren, Laufen oder Tanzen förderlich. Versuchen Sie auch im Alltag möglichst viel Bewegung einzubauen: Benutzen Sie die Treppen statt Lift oder Rolltreppe, gehen Sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum Einkaufen oder steigen Sie einfach eine Station früher aus dem Bus oder U-Bahn aus, wenn Sie zur Arbeit gehen.
Wie beim Ausdauer-Training gilt auch beim Faszien-Training: Wählen Sie die Form, die Ihnen am besten entspricht und am meisten Freude macht. Denn ohne Spaß an der Sache werden Sie nicht dranbleiben.
Faszien-Yoga: Übungen für zuhause
Unsere Expertin Amiena Zylla ist Pilates-, Yoga-, Faszien- und Dance-Coach und hat mit dem dynamischen Faszien-Yoga einen eigenen Stil begründet. Gemeinsam mit ihr haben wir Übungen zusammengestellt, die sie ohne großen Aufwand zuhause praktizieren können.
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