Was tun Sie, wenn Sie nachts durch Wadenkrämpfe aus dem Schlaf gerissen werden? Vera Cordes setzt in solchen Augenblicken auf... Gurkenwasser! Entdeckt wurde dessen Wirkung in der amerikanischen Footballliga. Einer der verrücktesten Tipps der vergangenen Jahre, aber offenbar wirksam nicht nur bei Vera Cordes, sondern auch bei vielen Zuschauern. Einhellig betonen sie, wie toll das Gurkenwasser dabei helfe, schmerzhafte und anhaltende Krämpfe schneller zu beenden. Alles rund ums Gurkenwasser und Wissenswertes über Dehnungen gegen Krämpfe in Beinen und Waden lesen Sie hier.
Häufig entwickeln sich Muskelkrämpfe nach übermäßiger muskulärer Anstrengung. Dass Muskeln aber nicht nur durch intensiven Leistungssport überfordert werden, davon kann ich aus eigener Erfahrung berichten.
Und da plaudere ich jetzt mal aus dem Nähkästchen: Wenn ich dienstags vor der Kamera hochhackige Pumps trage, dann genieße ich das. Ich finde High Heels schick, weiß aber natürlich, dass sie auf Dauer für die Füße eine Zumutung sind. Deshalb beschränke ich das elegante Schuhwerk auch nur auf die Zeiten von Proben- und Sendedauer. Das hat aber trotzdem oft zur Folge, dass sich meine Muskeln an Zehen und Fußsohlen zwei bis drei Stunden nach der ungewohnten Belastung mit Krämpfen rächen. Scheinbar widersinnig, aber gerade dann, wenn sich die gut 30 Muskeln an jedem meiner Füße in warmen, weichen Haussocken entspannen dürfen, zahlen sie mir meine Eitelkeit heim.
Wenn Krämpfe nicht wie bei mir an High Heels oder andererseits an übermäßigem Sport liegt, was verursacht die Beinkrämpfe denn dann? Wer sich häufig mit nächtlichen Krämpfen plagt, sollte versuchen, gemeinsam mit einem Arzt oder einer Ärztin herauszufinden, woran es liegt:
Treten die Krämpfe besonders stark oder an ungewöhnlichen Körperstellen auf, können gezielte neurologische Untersuchungen zeigen, ob eine eventuell zugrunde liegende Erkrankung die Krämpfe verursacht. Auch wenn Sie den Verdacht haben, dass Medikamente Ihre Krämpfe auslösen, sollten Sie dazu unbedingt medizinischen Rat einholen.
Egal, ob man die Apothekerin, den Arzt oder die beste Freundin fragt, fast immer lautet der Rat: "Nimm Magnesium!" Ob als Kapseln, Tabletten oder Pulver - gesichert scheint Magnesium nur dann zu helfen, wenn ein echter Mangel vorliegt, denn der kann tatsächlich die Krampfneigung des Muskels erhöhen.
Um mangelbedingte Wadenkrämpfe zu vermeiden, benötigt ein Erwachsener im Schnitt 350 Milligramm Magnesium pro Tag. Mit ausgewogener Ernährung lässt sich dieser Bedarf leicht decken. Er steckt zum Beispiel schon in einer Banane (circa 100 mg), einer kleinen Hand voll Cashewkernen (circa 135 mg) und drei Esslöffeln Weizenkleie (circa 180 g). Auch Sonnenblumen- und Kürbiskerne, Bitterschokolade, Brokkoli und Himbeeren enthalten viel Magnesium.
Solche Medikamente senken zwar nachweislich die Anzahl, Dauer und Intensität von Krämpfen, haben in seltenen Fällen jedoch lebensbedrohliche Nebenwirkungen. Deshalb sind diese Mittel in Deutschland seit 2015 nur noch auf Rezept zu haben und in den USA, Australien und Neuseeland für die Behandlung von Wadenkrämpfen sogar verboten.
Dehnungsübungen sind nicht nur bei akuten Muskelkrämpfen gut, sondern auch als Prophylaxe.
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Was erwiesenermaßen gegen Muskelkrämpfe hilft, ist regelmäßige Bewegung und vor allem Dehnung. Wie hieß es von einem Neurologen und Experten für Muskelkrämpfe in meiner Sendung: "In jedem untrainierten Muskel sinkt automatisch die Reizschwelle, so dass er eher zum Krampfen neigt als ein trainierter."
Ergo: Man muss etwas tun! Nun mag Prävention oft anstrengend und nervig sein, aber speziell in diesem Fall ist Vorbeugen wirklich einfach. Denn – aufgepasst, simpler geht’s nicht – schon dreimal zehn Sekunden Dehnungsübungen vor dem Schlafengehen reduzieren die Neigung zu nächtlichen Wadenkrämpfen nachweislich.
Das ist das Ergebnis einer Studie, an der Männer und Frauen teilnahmen, die regelmäßig unter nächtlichen Beinkrämpfen litten. Über sechs Wochen mussten sie ihre Waden- und Oberschenkelmuskulatur konsequent mit Dehnübungen trainieren. Das Ergebnis: Sie hatten deutlich seltener Krämpfe. Am besten, so die Autoren der Studie, pausiert man nach jeder Zehn-Sekunden-Dehnung immer für eine Minute.
Dehnen ist also nicht nur beim akuten Krampf gut, da macht man das meistens ganz automatisch, sondern Dehnung wirkt auch prophylaktisch. Eine einfache Sache, aber die wenigsten wissen das. Und wer auf Nummer sicher gehen will, trainiert die Muskelpartien, die zu Krämpfen neigen, tagsüber zusätzlich. Wenn möglich, dann bauen Sie doch beispielsweise ein paar rasche Dehnungsübungen in Ihre Alltagsroutine ein. Die Übungen 2, 3 und 4 lassen sich beispielsweise auch in einer kurzen Arbeitspause durchführen.
Bild 1, von links nach rechts: Übung 1 zur Kräftigung der Oberschenkel, Übung 2 zur Dehnung der Oberschenkel, Übung 3 mit Wadendehnung im Ausfallschritt.
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Die drei Dehnübungen helfen beim akuten Krampf und auch vorbeugend, sofern sie vor dem Schlafengehen gemacht werden. Dehnen Sie je 3-mal für 10 Sekunden, immer mit einer Minute Pause dazwischen.
Bild 2: Übung 4 zur Dehnung der Oberschenkel hinten und Übung 5 zur Kräftigung der Oberschenkel hinten.
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Mit den beiden Kräftigungsübungen können Sie langfristig die Krampfneigung in den Beinmuskeln verringern. Täglich jeweils 3-mal 10 Wiederholungen mit je einer Minute Pause dazwischen.
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Früher musste ich bei Wadenkrämpfen mindestens eine halbe Stunde dehnen, massieren und wärmen, bis die Sache halbwegs überstanden war. Heute dauert der Krampf nach ein paar Schluck Essigsud höchstens noch ein bis zwei Minuten. Es kann übrigens das Gurkenwasser jedes x-beliebigen Herstellers sein. Meine persönliche Erfahrung ist allerdings: je saurer, desto wirksamer. "Placeboeffekt", sagen Sie jetzt vielleicht.
Die positive Wirkung von Gurkenwasser bei Krämpfen ist mittlerweile auch wissenschaftlich bewiesen.
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Auf den Trick kam man im Jahr 2000, als die Footballteams Philadelphia Eagles und Dallas Cowboys bei extremer Hitze gegeneinander antraten. Während ein Dutzend der Cowboys wegen Krämpfen das Spiel abbrechen musste, verloren die Eagles keinen ihrer Spieler und gewannen das Match. Ihr Geheimnis? Gurkenwasser!
Der Medizinstudent Kevin Miller war davon so beeindruckt, dass er dieses Phänomen rund zehn Jahre später in seiner Doktorarbeit untersuchte. Er stellte fest, dass ein Krampf ohne Gurkenwasser zwischen 71 und 246 Sekunden brauchte, bis er wieder verschwand. Mit dem sauren Sud hingegen war die Sache in 12 bis 219 Sekunden ausgestanden – im Schnitt nach 85 Sekunden und damit 45 Prozent schneller als ohne.
Das wiederum ist noch nicht geklärt. An einer Änderung des Mineralstoffhaushalts kann es nicht liegen, denn dafür geht es zu schnell. Vielleicht ist es einfach nur der Geschmack der Essigsäure im Rachen, der krampflösend wirkt? Ein kleiner, heilsamer Schock sozusagen. Ich stelle mir das wie beim Schluckauf vor, der verschwindet, wenn mich jemand erschreckt.
Gurkenwasser wird auch von PhysiotherapeutInnen empfohlen, obwohl wie gesagt der Nachweis des genauen Wirkmechanismus fehlt. Theorie ist, wenn man alles weiß, aber nichts funktioniert, und Praxis ist, wenn alles funktioniert und keiner weiß, warum. Hier passt der Spruch echt gut.
Allzeit bereit gegen Wadenkrämpfe mit einigen Schlückchen Gurkenwasser.
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Übrigens, wenn Sie selbst mal prüfen wollen, ob sauer auch Sie locker macht, stellen Sie sich ein Gläschen Gurkenwasser ans Bett. Bei einem Krampf trinken – und fertig. Wichtig: Pro Kilogramm Körpergewicht soll ein Milliliter Gurkenwasser ausreichen. Und bitte nicht täglich vorbeugend trinken. Wohl bekomm's!
Wenn möglich, dann bauen Sie doch beispielsweise eine rasche Wadendehnung ein, wann immer Sie an Treppen oder Stufen vorbeikommen. Die geht so:
Veröffentlicht am 21.2.2022
Veröffentlichungsdatum
Vera Cordes arbeitete nach ihrem Studium bei Print und Hörfunk, bevor sie zum Fernsehen wechselte. Seit 1998 ist sie das Gesicht des Gesundheitsmagazins „Visite“ im NDR. Im Sommer 2021 landete sie mit ihrem Praxisbuch „Ich hätte da was für Sie.“ einen Spiegel-Bestseller.